«Offenheit» – Kolumne in der Solothurner Zeitung

29. März 2025, Solothurner Zeitung, Simon Michel

Gastkommentar von Simon Michel in der Solothurner Zeitung vom 29. März 2025.

Werte sind für mich ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Wie ein Nordstern führen und leiten sie mich in meinem Privatleben und auch im Geschäft. Die drei wichtigstenvWerte sind für mich: Verantwortung, Ehrlichkeit und Offenheit. Heute möchte ich über Offenheit sprechen und Sie dazu einladen, sich zu fragen, wie Sie es denn mit der Offenheit haben. Wie begegnen Sie Neuem, Anderem, Unbekanntem?

Ich bezeichne mich heute als offen, tolerant und unvoreingenommen. Ich versuche, Neuem eine Chance zu geben und nicht von vornherein Nein zu sagen. Das war aber nicht immer so. Aufgewachsen bin ich in einem konservativen Haushalt im Emmental. Beschützt von einer liebenden Mutter und einem hart arbeitenden Vater. Unser Wertesystem war traditionell und bewahrend. Generell gab es viel «man»…«man macht nicht», «man sagt nicht»…Ich selber habe dieses «man» nie kennengelernt, und trotzdem hatte es einen grossen Einfluss auf mein Verhalten. Denn ein Leben in geregelten Bahnen hat einen Vorteil: Es gibt Halt, Sicherheit und Schutz.

Vor 25 Jahren habe ich dann meine Frau Monika kennengelernt. Sie kommt aus einem anderen Haushalt: Ihre Mutter ist Ungarin, welche 1952 als Kind in die Schweiz flüchtete und hier ganz bei null beginnen musste. Sie war gezwungen, sich anzupassen, ihre Gewohnheiten zu ändern und offen zu sein, wenn sie überleben wollte.

Durch Monika und ihre Familie habe ich gelernt, offener zu werden. Begonnen hat das beim Essen. Nicht nur musste ich alles probieren, ich habe auch das allermeiste tatsächlich schätzen gelernt. Auch mehr Flexibilität war gefragt: Da gab es Abende, wo drei Personen um 18 Uhr eingeladen wurden. Am Ende sassen elf Leute am Tisch – dafür erst um 20 Uhr. Es wurde gesungen und gespielt. Damit war ich anfangs masslos überfordert. Aber diese Abende waren immer lustig, lebendig und bleibend. Wir rückten alle etwas enger zusammen, öffneten eine weitere Flasche Wein und improvisierten in der Küche. Ich hätte dies früher als unorganisiert, ungeplant und chaotisch betitelt – heute empfinde ich es als spontan, gesellig und offen. Was ich Ihnen damit sagen will: Vieles ist eine Einstellungssache!

Ein anderes Beispiel habe ich in der Pandemie erlebt: Davor war ich am Montag einer der Ersten im Büro und am Freitag blieb ich oft länger. Es hat mich gestört, dass sich die Parkplätze am Freitag ab 16 Uhr bereits leerten. Und dann durften wir plötzlich nicht mehr im Büro arbeiten, Homeoffice wurde vorgeschrieben. Und siehe da, es funktionierte: Ypsomed hat sich in den Pandemiejahren stark gewandelt, digitalisiert und hat Flex Work eingeführt, «work anytime anywhere». Ich rege mich heute nicht mehr auf, wenn die Parkplätze leer sind, und vertraue, dass jede und jeder seine Arbeit gewissenhaft macht, egal wo und wann sie arbeiten.

Nun, der Grad an Offenheit ist sicherlich persönlich. Aber es ist wichtig, dass wir uns darüber Gedanken machen und unterhalten, wie offen wir als Gesellschaft sein wollen. In den kommenden zwei Jahren werden wir darüber abstimmen, ob wir die Grenzen ab 10 Millionen Menschen schliessen und damit das gute Verhältnis zur Europäischen Union beenden wollen.

Davor müssen wir einen offenen und differenzierten Diskurs führen, wie wir zu gewollter Arbeitsmigration und krimineller Asylmigration stehen. Wir werden prüfen müssen, wie gut die Schweiz abgeschottet überhaupt funktionieren kann oder ob es sinnvoller ist, mit anderen Ländern gut zusammenzuarbeiten. Dies ist möglich, wenn wir Freihandelsabkommen abschliessen und zu unseren Nachbarn, der EU, ein gutes Verhältnis beibehalten. Ich wünsche mir, dass Sie sich offen und unvoreingenommen auf diese Diskussion einlassen können, damit wir für die Schweiz die beste Lösung finden!