«Freiwillig länger» – Kolumne in der Solothurner Zeitung

31. Mai 2025, Solothurner Zeitung, Simon Michel

Gastkommentar von Simon Michel in der Solothurner Zeitung vom 31. Mai 2025.

Am 3. März 2024 haben 58 Prozent der Schweizer Bevölkerung Ja zur «Initiative für eine 13. AHV-Rente» gesagt. Über die Finanzierung wurde damals nicht gesprochen. Nun hat der Bundesrat zum Stand der AHV-Reform und der Finanzierung informiert.

Die AHV wird heute zu 72 Prozent aus Lohnbeiträgen finanziert. Dazu kommen Einnahmen aus Mehrwertsteuer, Spielbankenabgaben, Tabak- und Alkoholsteuern. Das reicht aber nicht mehr. Die einfachste Lösung wäre ein höheres Rentenalter für alle, schrittweise um ein bis zwei Jahre, langsam erhöht im Zeitraum über zehn bis zwanzig Jahre. So machen es praktisch alle westlichen Länder. Doch die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung möchte unter den bestehenden Bedingungen nicht länger arbeiten – und hat am 3. März 2024 deutlich Nein zu einer generellen Erhöhung gesagt. Aus diesem Grund schlägt der Bundesrat steuerliche Zusatzbelastungen in Form von höheren Lohnbeiträgen und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Offenbar nimmt das Schweizer Volk lieber die hohen Zusatzausgaben in Kauf, die den arbeitenden Mittelstand überproportional belasten.

Sollten wir nicht ein wenig ein schlechtes Gewissen haben, dass wir der Einführung einer 13. AHV-Rente zugestimmt haben – wohl wissend, dass wir das Geld dafür nicht haben? Viele hatten das Gefühl, dass sie jetzt an der Reihe seien, nachdem Milliarden für Coronamassnahmen und die Rettung der Banken ausgegeben wurden. Man vergisst dabei aber, dass Corona ein absoluter Notfall war und die Schulden noch die nächste Generation tragen muss. Und die Garantien für die UBS 2008 und CS 2023 wurden grossmehrheitlich nicht beansprucht und spülten der Eidgenossenschaft unter dem Strich Gewinne von über einer Milliarde Franken ein.

Zurück zur AHV: Die Lebenserwartung ist seit der Einführung der AHV 1948 um 17 Jahre gestiegen. Mitte des 20. Jahrhunderts finanzierten sechs Erwerbstätige einen Rentner. Heute beträgt das Verhältnis 3 zu 1. Bis 2040 werden es noch zwei Erwerbstätige sein, die einen Rentner finanzieren müssen. Gemäss Bundesrat weist die AHV bis 2030 deshalb ein Defizit von 2,5 Milliarden Franken aus, bis 2040 von sogar 5,7 Milliarden Franken. Neben dieser demografischen Entwicklung verursacht die 13. AHV-Rente zusätzliche jährliche Mehrkosten von 4,2 Milliarden Franken. Wir sprechen also über einen Fehlbetrag von bis zu 11 Milliarden Franken – pro Jahr! Bei einem Jahres-Bundesbudget von rund 90 Milliarden Franken ist das enorm.

Wie sollen wir das lösen, wenn wir nicht länger arbeiten? Und was ist so schlimm daran? – Bei Ypsomed schaffen wir schon heute positive Anreize, freiwillig länger zu arbeiten. Wir haben vor fast zehn Jahren die flexible Pensionierung eingeführt und erhöhten den Umwandlungssatz um 0,6 Prozent auf 5,6 Prozent im Vergleich zu einem Austritt mit 65 Jahren.

Wir ermöglichen Teilzeit bis 50 Prozent und führen mit allen Mitarbeitenden entsprechende Gespräche. Ich trinke mit jeder neuen Pensionärin und jedem neuen Pensionär einen Kaffee. Über zwei Drittel sind noch topfit und rund jeder sechste nimmt das Angebot an, freiwillig länger zu arbeiten. Unser Ziel bis 2030 ist mindestens ein Drittel.

Interessant wäre auch die Glättung der Sparbeiträge in der 2. Säule gewesen. Die ungleichen Beiträge zwischen Jung und Alt hätten angeglichen werden können, damit es attraktiver gewesen wäre, ältere Arbeitnehmende zu beschäftigen. Leider wurde die Pensionskassen-Reform nicht angenommen. Auch der Bundesrat will das Weiterarbeiten nach dem Erreichen des Pensionsalters fördern. So will er das Höchstalter von 70 Jahren aufheben und den Freibetrag erhöhen. Die Frühpensionierung soll zudem weniger attraktiv gemacht werden. Ich begrüsse diese vorgeschlagenen Massnahmen und hoffe, dass sie die parlamentarische Debatte überleben werden.